Erinnert sich noch jemand an Willi Mertens?
Kolumnist beim Kölner Stadt-Anzeiger, der wochenends im „Auto-Teil“ gelegentlich mit bissigen Glossen glänzte, in denen er das (Fehl-)Verhalten der automobilen Bevölkerungsteile aufs Korn nahm.
Oder natürlich Egon Hoegen (1928 – 2018), die unverwechselbare Stimme, die den Autofahreren / Fernsehzuschauern einmal wöchentlich 5 Minuten lang ihre Fehler und Schwächen kommentierte und Tipps zur Abhilfe anbot?
Der 7. Sinn war noch für Autofahrer gedacht, die selbständig am Straßenverkehr teilnehmen konnten.
Mir persönlich war schon das automatische Getriebe immer zuwider.
Abgesehen davon, dass es für seine Tätigkeit Leistung (= Treibstoff) verbraucht, war ich immer der Ansicht, dass man das bisschen Schalten sehr gut mit Hand und Fuß selber erledigen könnte.
Was wurde seither nicht alles erfunden und dem Autofahrer zu seiner Bequemlichkeit angeboten – angedreht ist vielleicht der passendere Ausdruck.
Klimaanlage, heute praktisch Serienausstattung. Ich habe das Schiebedach geliebt. In meinem .8er (hatte ich mal Ende der 80er Jahre) wurde das noch von Hand bewegt. Der Handgriff schnappte mit einem satten „PLONK!“ in seine Ruhestellung.
Die Klimaanlage erspart uns jedenfalls, von Zeit zu Zeit die Fenster auf- und niederzukurbeln. Quatsch, es gibt ja elektrische Fensterheber. Als erspart sie uns, die Auf-Nieder-Taste zu drücken.
Regensensor. Ich muss also nicht mehr selber aus dem Fenster sehen, um festzustellen, dass Nässe meine Sicht behindert und kann in der Zeit weiter auf mein Smartphone gucken.
Oder Licht. Ist es draußen dunkel, macht Auto automatisch hell. Früher musste man dazu umständlich einen Knopf drehen oder drücken. Gepaart mit den heute üblichen „Modefarben“, die immer öfter ins grau-weißliche spielen führt das, was vermutlich als zusätzliches „Sicherheits-Element“ gedacht worden ist, zu Gefahrenmomenten: Der verwöhnte Autler denkt überhaupt nicht daran, dass man Licht gegebenenfalls auch manuell einschalten könnte, so z. B. bei Regen, Nebel, Schneefall.
Leute! Ihr müsst auch gesehen werden! Auch wenn der Scheinwerfer die Fahrbahn vor Euch nicht weiter erhellt (weil es Tag ist):
Nur dem kann ich ausweichen, den ich auch erkennen kann.
Deutlich fahren! (Wer hat das jetzt gesagt? Mertens oder mein eigener Fahrlehrer?)
Das führt uns zu einer immer stärker grassierenden Seuche. Ich nenne sie einmal „Gemeine Blinkfinger-Fäule“.
An der Lenkradsäule ist (meistens links) ein Hebel angebracht, den man im Allgemeinen mit ausgestrecktem Zeigefinger lässig erreichen kann, ohne die Hand vom Lenkrad nehmen zu müssen. Damit betätigt man den „Fahrtrichtungsanzeiger“, umgangsprachlich auch „Blinker“ genannt. Dieser zeigt dann den anderen Verkehrsteilnahmern meine Absicht an, je nachdem:
Ich will rechts/links, abbiegen; ich halte hier am Straßenrand; ich wechsele die Spur; ich fahre jetzt vom Straßenrand los.
Aber das Ausstrecken des Zeigefingers ist wohl schon zu viel verlangt. Bei dem Automatisationsgrad, den wir heute erreicht haben, verankert sich ganz offenbar folgende Denkweise im Hirn* der Automobilisten:
„Wenn mein Auto von selber weiß, wann es gangschalten, scheibenwischen, klimatisieren, beleuchten muss, dann weiß es bestimmt auch wann ich wo hin will. Wozu dann noch dieses lästige Blinkerhebelbetätigen?
Liebe Verkehrsteilnehmer, Ihr habt Euch entmündigen lassen.
All jenen, die von der „Blinkfingerfäule“ und verwandten Leiden befallen sind, die also bereits zu bequem sind, um gelegentlich einen Zeigefinger zum Betätigen eines Knopfes / Hebels auszustrecken, denen strecke ich einen Finger aus. Und das ist NICHT mein Zeigefinger.
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* Ich weiß, das Vorhandensein eines solchen kann nicht bei jedem Verkehrsteilnehmer als selbstverständlich vorausgesetzt werden.